Kritik an den Studien
Oberflächlich betrachtet, scheint damit ja alles klar zu sein: Wenn so viele Studien auf eine schützende Wirkung von Kaffee gegen Demenz und Alzheimer hinweisen, sollten wir dann nicht alle ein bis zwei Tassen Kaffee täglich trinken?
Diese Studien können Ursache-Wirkung nicht beweisen
So einfach ist es leider nicht. Grundsätzlich sind Meta-Analysen wie die chinesische zwar in ihrer Beweiskraft weit oben anzusiedeln, aber bei den hier analysierten Studien handelt es sich größtenteils um sogenannte prospektive Kohortenstudien. Diese Studienart ist lediglich dazu geeignet, Zusammenhänge (Korrelationen) aufzuzeigen, ist aber nicht in der Lage, eine Ursache-Wirkung-Beziehung (Kausalität) zu beweisen.
Somit lässt sich zwar sagen, dass es offenbar einen Zusammenhang zwischen einem geringeren Risiko für Demenz und ein bis zwei Tassen Kaffee täglich gibt, aber wir wissen nicht, ob der moderate Kaffee-Konsum auch wirklich die Ursache für das geringere Demenz-Risiko ist.
Es könnte zum Beispiel sein, dass moderate Kaffee-Trinker auch sonst gesünder leben als diejenigen, die gar keinen Kaffee oder mehr als zwei Tassen am Tag trinken. Der Kaffee-Konsum könnte dabei nur ein zufälliges gemeinsames Merkmal sein, das in Wirklichkeit gar keine schützende Wirkung auf das Gehirn hat.
Wer genau hinsieht, entdeckt die Mängel
Wenn du dir die Studien genauer ansiehst, kannst du außerdem verschiedene Mängel in der Durchführung entdecken. Schauen wir uns zum Beispiel die chinesische Meta-Analyse an, in der die Ergebnisse verschiedener Studien aus unterschiedlichen Ländern analysiert und zusammengeführt wurden: In den meisten Studien wurden die Teilnehmer nur einmal am Anfang gefragt, wie viele Tassen Kaffee sie täglich trinken. Ob das der Wahrheit entsprach und ob die Studienteilnehmer ihren Konsum während des Untersuchungszeitraums nicht verändert haben, wurde nicht überprüft. Außerdem ist “eine Tasse” keine Menge, die sich international gut vereinheitlichen lässt. In Deutschland entspricht eine Tasse etwa 125 Millilitern, während darunter in den USA circa 236 Millilitern verstanden werden.
Nicht mehr als ein bis zwei Tassen Kaffee täglich?
Auch die Studien, wonach mehr als ein bis zwei Tassen Kaffee täglich das Risiko für Demenz und Alzheimer wieder erhöhen, sind mit der gebotenen Vorsicht zu betrachten. Beispielsweise ist die Methode der genannten italienischen Studie ebenfalls nicht in der Lage, eine Ursache-Wirkung-Beziehung zu beweisen.
Das trifft auch auf andere Studien zu, die sich mit derselben Fragestellung beschäftigen und den Ergebnissen der italienischen Studie teilweise zu widersprechen scheinen. So titelte die ZEIT im Sommer 2009: “Fünf Tassen Kaffee gegen Alzheimer”. Dabei bezog sich der Artikel vor allem auf zwei Studien an Mäusen, die zu dem Fazit kamen, dass ein hoher Koffein-Konsum (auf Menschen umgerechnet etwa fünf Tassen Kaffee täglich) bei den Tieren sogar eine bestehende Alzheimer-Erkrankung lindern konnte.
In dem ZEIT-Artikel klingt es leider so, als seien die Studien-Ergebnisse ein Beweis für die Wirksamkeit von Kaffee bzw. Koffein gegen Alzheimer, obwohl diese Studien das gar nicht leisten konnten — zumal sie an Mäusen durchgeführt wurden. Leider ist diese unreflektierte Art der Berichterstattung über Gesundheitsthemen sehr häufig vorzufinden und führt bei Lesern, die sich nicht auskennen, schnell zu Verunsicherung.
Schadet Kaffee dem Gehirn sogar?
Interessanterweise gibt es auch einige Medien-Berichte, die gar keine Schutzwirkung von Kaffee, sondern das genaue Gegenteil behaupten: Täglicher Kaffee-Konsum schade dem Gehirn und erhöhe das Risiko für Demenz und Alzheimer. Diese These konnte jedoch in verschiedenen Beobachtungsstudien und Kohortenstudien nicht bestätigt, sondern auch hier eher ein Zusammenhang mit einem geringeren Risiko für Alzheimer und Demenz ausgemacht werden. Natürlich gilt hier ebenso, dass die Qualität dieser bisherigen Studien nicht ausreicht, um zu einem verlässlichen Ergebnis zu kommen.
Wir wissen, dass wir (noch) nichts wissen
Eine weitere systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse, in die zwei Fall-Kontroll-Studien und neun Kohortenstudien integriert waren, bringt den bisherigen wissenschaftlichen Kenntnisstand auf den Punkt: Zwar konnte die Forschungsarbeit eine Tendenz aufzeigen, dass Koffein vor Demenz und Alzheimer schützen könnte. Allerdings weist die Arbeit auch darauf hin, dass es bislang nur eine überschaubare Anzahl guter Studien gibt, die sich mit der Wirkung von Kaffee oder Koffein auf das Gehirn beschäftigen. Zudem sind deren Methoden, Fragestellungen und Patientengruppen sehr unterschiedlich — und damit schwer vergleichbar.